7. Januar 2011

Du sollst nicht sterben

Sobald die Zahl der Verkehrstoten für einmal nicht abnimmt oder die Suizidrate ansteigt, treten Politiker oder andere Lobbyisten auf den Plan und fordern Massnahmen. So werden munter Kampagnen losgetreten gegen alle möglichen Todesursachen wie Krebs, Aids, Drogen oder Herzinfarkt. Der moderne Mensch soll weder an einer bekannten Krankheit, noch durch Unfall oder die eigene Hand aus dem Leben scheiden. Doch woran denn eigentlich? Wenn man gewisse Zeitgenossen reden hört, offenbar überhaupt nicht. Sterben scheint politically incorrect oder zumindest uncool geworden zu sein.

Gestorben wird jedoch trotzdem, solange der Mensch sterblich ist. Mit all den Kampagnen lassen sich höchstens die Anteile der einzelnen Todersursachen leicht verschieben. Wer dank einer Verbesserung der Verkehrssicherheit nicht überfahren wird, setzt sich vielleicht den goldenen Schuss. Und wer vom Suizid abgehalten werden kann, lebt möglicherweise lange genug, um einem Krebs zu erliegen. Das Ganze bliebt weitgehend eine Nullsummenspiel. Abgesehen davon, dass die durchschnittliche Lebenserwartung angehoben wird. Genau das aber ist in einer zunehmend überalterten Gesellschaft  alles andere als erwünscht.

Man verstehe mich nicht falsch: Die Verkehrssicherheit verbessern macht mit Blick auf die dadurch vermiedenen nicht tödlichen Verletzungen durchaus Sinn. Genau so wie Massnahmen zur Steigerung der Gesundheit und des Wohlbefindens. Gegen einzelne Todesarten anzutreten dagegen ist kaum intelligenter als ein Kampf gegen Windmühlen.

11 Kommentare:

  1. Meinst du das ernst?!

    Wieso sind denn Morde ein Problem? Die sind doch auch ein "Nullsummenspiel", weil sie bloss eine andere Sterbensart ersetzen. Sie verhindern eine Anhebung der Lebenserwartung, müssten "in einer zunehmend überalterten Gesellschaft" erwünscht sein.

    Wirtschaftlich gesehen ist das aber falsch. Rein wirtschaftlich erwünscht wäre ein Tod zum Zeitpunkt der Pensionierung. Ein früherer Tod hingegen ist eine wirtschaftliche Einbusse, schliesslich investiert man zu Lebensbeginn mit viel Geld in die Menschen.

    Vor allem aber ist jeder Tod, der verhinderbar wäre, ein unnötiger, drastischer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des vom Tod betroffenen Individuums. Jeder hat das Recht zu leben, selbst wenn das Weiterleben sich volkswirtschaftlich nicht lohnt. Man macht die Massnahmen also nicht, um eine Todesart in der Statistik zu eliminieren, sondern um möglichst jedem die Freiheit zu geben, zu leben.

    Die einzige Todesart, die kein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte ist, ist die eines Bilanzsuizides (nicht: Affektsuizides). Einen solchen Bilanzsuizid sollte man nicht verhindern, sondern unterstützen.

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  2. Beim Mord verhält es sich anders, weil hier ein Individuum dem Leben eines anderen Individuums ein Ende setzt und so tatsächlich in dessen Freiheit zu leben eingreift. Das darf und muss die Gesellschaft zu verhindern versuchen.

    Auch das Bemühen, eine bestimmte Todesart - etwa den Verkehrstod - zu verhindern, kann isoliert betrachtet Sinn machen. Gesamthaft betrachtet laufen solche Bemühungen jedoch darauf hinaus, Todesursachen statistisch zu verschieben und letztlich das Sterben an sich in Frage zu stellen. Dahinter steckt wohl der absurde Wunsch nach ewigem Leben. Insoweit meine ich das Gesagte durchaus ernst.

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  3. Ist denn die Freiheit des Opfers geschützt, wenn es statt ermordert von einem Auto überfahren wird? Für die Freiheits des Betroffenen spielt die Todesart doch keine Rolle. Eine Rolle spielt bloss, ob man leben kann oder nicht. (Und zusätzlich, ob man die Aussicht auf Leben hat. Auch die hohe Sicherheit, nicht demnächst sterben zu müssen, ist Lebensqualität.)

    Das Ziel von Präventionsmassnahmen ist nicht, die Todesursachen in der Statistik zu verschieben. Das Ziel ist auch nicht, die Menschen zu einem langen Leben zu zwingen. Das Ziel ist, den Menschen die Freiheit zu geben, möglichst so lange zu leben wie SIE es wollen. Wenn dies 50 Jahre ist, ist das auch ok. Aber wenn jemand 70 Jahre leben möchte, und er stirbt mit 50 an einem Unfall, den man mit präventiven Massnahmen hätte verhindern können, dann hat man ihm die Freiheit zu leben weggenommen.

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  4. Jeder Unfall wäre mit irgend einer drastischen Massnahme zu verhindern gewesen. Sämtliche Verkehrsunfälle beispielsweise durch ein totales Verkehrsverbot. Das Beispiel zeigt überdeutlich, wie absurd das Ganze - konsequent zu Ende gedacht - wird!

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  5. Ich verstehe deinen Artikel eher als Kritik am Denken, jeden Unfall oder Suizid durch technische Massnahmen verhindern zu können. Airbags, Netze etc. Vielleicht wäre es wichtiger, jedem in Erinnerung zu rufen, dass Handeln Folgen hat. Für einen und für andere und u.U. auch tödliche. Gerade im Strassenverkehr verhindern Rücksichtnahme und Gelassenheit wohl mehr Unfälle als technische Massnahmen, die oft eine trügerische Sicherheit vermitteln.

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  6. Genau. Kritik allerdings nicht nur am Denken, jeder Unfall oder Suizid sei vermeidbar, sondern auch am (zumindest latenten) Gefühl, das Sterben generell müsse und könne vermieden werden.

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  7. ..... ach gottchen - gesund und friedlich im schlafe dahinscheiden is' doch auch 'ne schande..... ;-)

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  8. Das Sterben muss nicht um jeden Preis vermieden werden, aber wo es zu einem vernünftigen Preis möglich ist, muss es verhindert werden. Nicht jeder Unfall oder Suizid ist mit vernünftigen Präventionsmassnahmen vermeidbar, aber manche. Es ist immer ein Abwägen zwischen zwei Freiheiten. Dafür gibt es kein allgemeingültiges Rezept. Weder die Aufhebung jeglicher Sicherheitsbestimmungen noch die Einzelhaltung in Gummizellen kann eine Lösung sein, also muss sie irgendwo in der Mitte gefunden werden.

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  9. Absolut einverstanden, was das Handeln anbelangt. Das Kalenderblatt zielt indes, wie @tinu richtig schreibt, auf das dahinter stehende Denken (Fühlen, Glauben), das in seiner Konsequenz auf das elfte Gebot «Du sollst nicht sterben» hinausläuft.

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  10. Du schliesst aus den Kampagnen auf das angebliche dahinter stehende Denken, um dieses dann anzuprangern. Ich denke aber, dass die allermeisten Leute gar nicht so denken wie du unterstellst, sondern aus anderen Gründen so handeln (nämlich weil sie diese Abwägung zwischen den Freiheiten gemacht haben und dabei zum Schluss gekommen sind, dass Massnahmen zum Schutz der einen Freiheit sinnvoll sind und die andere Freiheit nicht übermässig einschränken). Oder hast du eine belastbare Quelle, die deine Unterstellung untermauert?

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  11. Die von Dir beschriebenen Menschen scheinen sich beharrlich von mir fernzuhalten...

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