22. Januar 2010

Unkoordinierte Verkündigung



Auch aus dem Alltag eines Bundesgerichtskorrespondenten soll berichtet werden auf diesen Kalenderblättern. Und genau heute ist so ein verdammter Alltag. Ab neun Uhr wird die II. Öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts über das delikate Problem der Inländerdiskriminierung im Fremdenpolizeirecht beraten. Die Sitzung war seit langer Zeit angesagt und das Thema für die Medien gesetzt.


Doch dann kam es wie so oft ganz anders. Gestern Abend kündigte das Bundesverwaltungsgericht an, es werde heute Vormittag einen wichtigen Entscheid veröffentlichen, und erste Rückfragen ergaben, dass es sich offenbar tatsächlich um einen sehr wichtigen Entscheid handelt. Was tut da der halbwegs seriöse Berichterstatter? Er sitzt zunächst ab neun Uhr brav in Lausanne im Gerichtssaal, um möglichst viel in Sachen Inländerdiskriminierung mitzubekommen, bevor die untere Instanz zur Tat schreitet. Sobald auf seinem Handy das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eingeht, wird er die Pressemitteilung überfliegen, und, wenn das Befürchtete eintritt, den Saal verlassen und sich mit kurzsichtig betrachtet Wichtigerem als der Inländerdiskriminierung befassen. Vielleicht gelingt es ihm am späten Abend noch, einen der Richter aus der Sitzung vom Morgen zu erreichen und achzufragen,wie die Beratung denn ausgegangen ist.


Die Justiz hat nicht nur Recht zu sprechen, sondern ihre Sprüche auch lege artis zu verkünden. Dass sich dabei die drei grossen eidgenössischen Gerichte sowie auch einzelne Abteilungen des Bundesgericht unter sich gegenseitig immer wieder ins Gehege kommen, ist nicht zwingend. Da auch die Justiz, soviel ich weiss, an mehr als einem Tag in der Woche arbeitet, sollte ein Minimum an Koordination eigentlich zu erreichen sein. Dass in einzelnen Fällen Kollisionen nicht zu vermeiden sind, liegt auf der Hand, dürfte aber kein Grund sein, es nicht wenigstens einmal zu versuchen!


fel.


PS: Es geht keineswegs darum, den Journalisten die Arbeit zu erleichtern, sondern darum, der Justiz in der Öffentlichkeit das Gehör zu verschaffen, das sie verdient.

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