1. Januar 2010

Kein Richter ohne Parteibuch



Stellen Sie sich ein Land vor, in dem die mächtigen politischen Parteien die Sitze im höchsten Gericht unter sich aufteilen und mit ergebenen Leuten besetzen. Sodann kassieren sie für die Vergabe der Pfründen einen jährlichen Obolus in Form einer Parteisteuer und behalten die Rechtsprechung dank periodischen Wiederwahlen im Griff. Karikatur einer Bananenrepublik? Leider die nur leicht überspitzte Beschreibung helvetischer Realität.


Dass die Justiz auf diese Weise parteipolitisch instrumentalisiert werden könnte, scheint mir noch die geringste Gefahr. Richter werden weit mehr durch ihre kulturelle und berufliche Herkunft beeinflusst als durch Parteibuch oder Parteizentrale. Doch auch wenn die Justiz unvoreingenommen bleiben sollte, leidet ihr Ansehen doch, denn dafür genügt der blosse Anschein von Befangenheit bekanntlich. Sodann vermag die periodische drohende Wiederwahl die richterliche Unabhängigkeit je nach Labilität des Charakters durchaus konkret zu beeinträchtigen. Und die permanente Abhängigkeit vom Parlament schwächt die Position der der Justiz als dritte Gewalt im Staat.
Als eigentliches Skandalon hat das schweizerische System der Richterkür zur Folge, dass die grosse und wachsende gesellschaftliche Gruppe der parteipolitisch Ungebundenen im höchsten Gericht überhaupt nicht vertreten ist. Seit der Wahl von Richter Logoz im Jahre 1942 ist kein Parteiloser mehr ins Bundesgericht gelangt! Ganz zu schweigen, welches Potenzial dem Land verloren geht, weil viele hoch qualifizierte Juristen sich für das Amt gar nicht bewerben oder nie in die engere Auswahl kommen, weil sie sich keiner politischen Partei anschliessen.


Und das Schlimmste an der Geschichte ist, dass Remedur nicht erhofft werden darf. Denn ein Wechsel des in Westeuropa einmaligen Systems müsste von eben diesen politischen Parteien getragen werden, die heute die fetten Pfründen vergeben. Vorschläge für tauglichere Lösungen lägen auf dem Tisch, so etwa im Kanton Zürich. Mehr zum Thema findet sich in der NZZ vom 31. Dezember 2009 (Seiten 11 und 15) und auf NZZOnline.


fel.


PS: Ich wünsche allen ein glückliches 2010. Was Silvester anbelangt, denken Sie daran: Ein
nicht gefasster Vorsatz ist besser als ein nicht eingehaltener...

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