19. April 2011

Im Röstigraben

Eigentlich macht ja der Fluss Saane die Grenze zwischen Deutsch und Welsch bei Fribourg. Oder die Sarine, wie das Gewässer am westlichen Ufer in französischer Sprache heisst. Doch meist spricht man vom Röstigraben, wenn es um die
Unterschiede zwischen den beiden Volksgruppen geht. Das Kartoffelgericht Rösti soll angeblich in der Deutschschweiz erfunden worden sein, wird allerdings gemäß meiner Wahrnehmung in der Westschweiz genau so lecker zubereitet.

Über diesen Röstigraben fahre ich aus beruflichen Gründen zwei Mal die Woche. So auch heute im ICN, von ost nach west, als aus einem anderen Business-Abteil lautes Poltern und Getöse ertönte. Dann war es verdächtig still, und ich musste einsehen, dass ich die einzige Person im Wagen war, abgesehen von dem alten Mann, der im übernächsten Abteil unter seinem riesengroßen Überseekoffer begraben reglos am Boden lag. Mir blieb offensichtlich keine andere Wahl, als meinem fehlenden Helfer-Instinkt zum Trotz helfend einzugreifen. Ich frage, ob ich helfen könne, doch er starrte mich nur grimmig an. Ebenso, als ich vorschlug, den Koffer wegzuschaffen. Ich tat es schließlich ohne Erlaubnis und legte danach Hand am Mann an. Doch der war einiges schwerer als ich, und das ist viel. Mit vereinten Kräften gelang das Unterfangen schließlich. Als er im Sessel saß, entfuhr ihm ein spontanes «merci beaucoup». Ich antwortete spontan ebenfalls in der Sprache Molières, und der Bann war gebrochen. Jetzt erst merkte ich, dass der von mir Gerettete buchstäblich in den Röstigraben gefallen war.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen