27. Oktober 2011

Der Schweizer und der Staat

Er sei nicht etatistischer als die Waadtländer FDP, sagt Bundesratskandidat Pierre-Yves Maillard in einem Interview in der heutigen NZZ. Was vermutlich stimmt, aber das Ganze auch nicht besser macht. Es unterscheidet sie vieles, die Menschen westlich und östlich des imaginären Röstigrabens, der das französische und das deutsche Sprachgebiet der Schweiz scheidet. Doch was augenfällig trennt, sind meist unbedeutende Kleinigkeiten. In atemloser Eile, aber meist zu spät westlich. Von träger Gemächlichkeit, aber meist pünktlich östlich. Eloquenter und geistreicher Witz hüben, eher wortkarger trockener Humor drüben.


Was die beiden Volksgruppen aber bis tief in die politische Seele trennt, wird kaum wahrgenommen: Es ist die Einstellung zum Staat. Der Westschweizer - einmal mehr kompatibel mit dem europäischen Umland - wünscht sich einen starken Staat und bewundert diesen. Er ist auch bereit, dafür dem Fiskus einen grosszügigen Obolus zu entrichten, erwartet dafür aber auch, dass dieser Staat gehörig für ihn sorgt. Der Deutschschweizer ist staatlicher Autorität gegenüber eher kritisch und knausrig eingestellt, aber zum Glück noch immer ab und zu bereit, auch einmal selber Verantwortung zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund besehen mag Maillards Selbstvergleich mit einem Waadtländer Freisinnigen westlich des Röstigrabens durchaus beruhigen. Auf östlicher Seite veranlasst das zu keiner Entwarnung.

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