4. März 2010

Iudex non twitteret


Habe mich schon oft darüber gewundert, dass sich bei Twitter so viele Anwälte tummeln, aber so weit ersichtlich keine Richter. Unlängst setzte ich dazu einen Tweet mit der Frage ab, ob es daran liegen könnte, dass bei Twitter Effizienz und schnelle Auffassung gefragt ist.Eine Anwältin aus Deutschland hielt entgegen, es liege wohl eher an der «Kommunikationslust, die Anwälte auszeichnet», während Richter «ohne Marketingnotwendigkeit» lieber mönchisch in der Klause arbeiteten. Ein Anwalt aus der Schweiz meinte, Richter seien «häufig nicht gewohnt, öffentlich zu kommunizieren, auch aus Gründen der möglichen Befangenheit». Ein Laie schliesslich, wenn auch einer mit erstaunlichem Insiderwissen, äusserte die Vermutung, Richter twitterten vielleicht eher selten, weil nicht einmal ihre «Regesten in 140 Zeichen passen würden».

Letzteres mag eine Rolle spielen, müsste aber auch Anwälte vom Twittern abhalten, deren Rechtsschriften oft genau so ausschweifend sind wie gewisse Urteile. Ich denke daher, dass es weit mehr mit der typischen Zurückhaltung zu tun hat, die dem Richter mit Blick auf seine Unabhängigkeit ebenso wohl ansteht, wie sie ihm bei der Pflege einer guten Public Relation im Wege steht. Die Justiz befindet sich heute in einem echten Dilemma: Einerseits wird von ihr noch immer die traditionelle vornehme Zurückhaltung erwartet und jeder Richter gescholten, der sich gegenüber den Medien auch nur halbwegs offen äussert. Anderseits muss die Justiz sich in der heutigen Medienwirklichkeit genau so behaupten und durchsetzen wie Politik, Wirtschaft, Sport oder Forschung. Gefragt ist ein heikler Balanceakt, den es behutsam anzugehen gilt. Gleich mit einem doppelten Salto rückwärts zu beginnen, wäre ebenso verfehlt, wie den Fuss überhaupt nicht aufs Hochseil zu setzen. Denn wer nicht öffentlich wahrgenommen wird, existiert nicht. Und eine Justiz, die nicht existiert, kann sich weder gegenüber den beiden anderen Gewalten im Staat behaupten, noch das Vertrauen der Menschen gewinnen.
fel.



PS: Einige Richter brüsten sich damit, sie würden auf Twitter mitlesen, ohne erkennbar zu sein. Technisch geht das problemlos. In anderem Zusammenhang nennt man solche Zeitgenossen allerdings Spanner.

3 Kommentare:

  1. Immerhin kenne ich einige Richter, die im Facebook registriert sind.

    AntwortenLöschen
  2. Muss ich mich auf meine alten Tage hin nun doch noch mit Facebook anfreunden? ;-)

    AntwortenLöschen
  3. In Deutschland hat einer anonym gebloggt, allerdings dann so penetrant, dass es ihn zerrissen hat. #Ballermann #Ballmann #Endlich #wech

    AntwortenLöschen