Gestern hat das Schweizerische Bundesgericht über ein Kopftuch-Verbot für Schülerinnen entschieden, das eine Gemeinde im Kanton Thurgau für ihre Schulstuben erlassen hatte. Die öffentliche Urteilsberatung verlief zeitweise in eher genervter Atmosphäre und enttäuschte viele Besucher im Saal. Ich selber finde, dass zwar kein einziges der richterlichen Voten auch nur annähernd als brillant bezeichnet werden könnte, das Resultat aber durchaus von Weisheit zeugt. Von Schwarmweisheit vielleicht.
Weise ist das Verdikt aus Lausanne gleich doppelt: In dem, was es sagt; und in dem, wozu es schweigt. Das Bundesgericht sagt zunächst ganz klar und einstimmig, dass ein solches Kopftuch-Verbot nicht einfach in einer kommunalen Schulordnung verfügt werden darf, von der man nicht einmal genau weiss, wer sie wann erlassen hat. Vielmehr muss eine derartige Beschränkung des Rechts auf religiös motivierte Bekleidung auf einem formellen Gesetz beruhen. Damit zollt das Bundesgericht Rechtsstaat und Demokratie zugleich Respekt. Freiheit darf nur eingeschränkt werden, soweit Parlament (und im Falle eines Referendums das Volk) dem mehrheitlich zustimmen.
Geschwiegen hat das Bundesgericht zur sehr delikaten und gesellschaftlich heftig umstrittenen Frage, ob und wie weit Schülerinnen überhaupt das Tragen von Kopftüchern in Schulzimmern untersagt werden darf. Auch das zeugt von Weisheit, wäre es doch wenig klug, gewissermassen auf Vorrat Antworten auf Fragen zu geben, die vermutlich auch das Gericht tief spalten. Zudem weiss heute niemand, ob überhaupt je in der Schweiz ein gesetzliches Kopftuch-Verbot demokratisch zustande kommen wird. Und genau so wenig weiss jemand, welche fünf Richter dereinst darüber entscheiden müssten. Sollte das höchste Gericht tatsächlich einmal die gewichtige Frage zu beantworten haben, bleibt zu hoffen, dass das mit der einem aufgeklärten Rechtsstaat würdigen kritischen Distanz zu Religion und Gläubigkeit geschehen wird. Zudem gälte es, in dieser Frage nicht nur die Interessen von Eltern und Schule gegeneinander abzuwägen, sondern auch den wohlverstandenen Interessen der Kinder Rechnung zu tragen.
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