20. März 2011

Bauchwende

In einer nicht repräsentativen Umfrage des Schweizer Fernsehens befürworteten heute 91 Prozent der Befragten ein militärisches Eingreifen gegen den libyschen Diktator Ghadhafi. Auf Twitter veröffentlichte @wyssdaniel die Grafik und meinte: «Bin gespannt, wie lange diese eindeutige Haltung gegenüber Libyen bestehen bleibt.» Ich bin es auch.

Nach meiner Wahrnehmung ist die Mehrheit der hiesigen Bevölkerung gegenüber dem Einsatz militärischer Mittel zur Erreichung politischer Ziele sehr kritisch eingestellt. Erreicht allerdings irgendwo die Gewalt gegen mehr oder weniger wehrlose Opfer ein unerträgliches Mass, sprechen sich auch pazifistische Geister für ein Eingreifen gegen die Bösen aus. So ist es jetzt im Falle des libyschen Regimes geschehen.

Die Zustimmung kommt allerdings aus dem Bauch, beruht weitgehend auf Emotion. Im Kopf bleibt ausgeblendet, dass der Einsatz militärischer Gewalt in der Alltagssprache Krieg heisst. Dass dabei Menschen sterben, auch Zivilpersonen und selbst Kinder. Sobald die ersten Bilder davon eintreffen, kann die brutale Realität nicht länger verdrängt werden, und der gleiche Bauch macht rechtsum kehrt. Die Zustimmung zum militärischen Eingreifen bröckelt dahin, und die Leute erinnern sich, dass sie doch schon immer gegen militärische Gewalt waren.

Vermeiden lässt sich die Bauchwende nur, wenn der Kopf die brutale Realität zur Kenntnis nimmt. Wie fatal das Dilemma ist, zeigt das Beispiel Libyen geradezu exemplarisch: Entweder wir schauen zu (oder weg), wenn Ghadhafi sein Volk massakriert, oder aber wir lassen zu, dass bei der gewaltsamen Beseitigung dieses Regimes Unschuldige ihr Leben verlieren. Eine Option ohne Tote gibt es nicht (mehr). Daran sind wir oder unsere Regierungen nicht ganz unschuldig, weil der Westen jahrzehntelang den Drohungen, Schmeicheleien, Erpressungen und Bestechungen des Obersten Ghadhafi erlegen ist.

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