Für den Präsidenten der österreichischen Richtervereinigung endet jede Meinungsfreiheit, wo das Ansehen der Justiz gefährdet wird. Stein des richterlichen Anstosses war Kritik an der Verhandlungsführung einer Richterin in einem Prozess gegen Tierschützer in Wien (DiePresse.com /via: @michiwoell).
Irgendwie ist mir diese Denkweise vertraut. Vor etlichen Jahren hat mir ein längst verflossener Präsident des
Schweizerischen Bundesgerichts in offizieller Mission Dutzende meiner Artikel bildhaft um die Ohren gehauen, in denen ich das Funktionieren der Justiz kritisiert hatte. Auf meine erstaunte Rückfrage hin, räumte er unumwunden ein, dass meine Beanstandungen sachlich berechtigt seien. Ich dürfe sie auch laut äussern innerhalb der Mauern des Gerichts. Doch nach aussen getragen oder gar in die Zeitung geschrieben werden dürfe solche Kritik nicht, weil dadurch das Ansehen des höchsten Gerichts beschädigt werde. Oder wie es nach dem im Kalenderblatt vom 11. Februar 2011 beschriebenen unappetitlichen Vorfall auf den Punkt gebracht wurde: Nicht dass ein Bundesrichter spuckte, habe das Ansehen des Gerichts beschädigt, sondern dass darüber in den Medien berichtet wurde.
In der Tat braucht die Justiz Ansehen und Vertrauen, um gehörig ihres Amtes walten zu können. Und in der Tat bleiben Ansehen und Vertrauen intakt, so lange nichts nachteiliges über die Justiz ruchbar wird. Daraus indes abzuleiten, dass öffentliche Kritik an der Justiz unzulässig sei, zeugt von einem eigentümlichen Verfassungsverständnis. Wollten Exekutive oder Parlament sich auf diese Weise jeder Kritik entziehen, würde die gleiche Justiz das zu recht beanstanden.
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