Obwohl die Mitglieder des Schweizer Bundesgerichts streng nach Parteiproporz ausgewählt werden, ist die Gefahr einer parteipolitisch gefärbten Rechtsprechung sehr gering. Nach fast dreissig Jahren als Gerichtsberichterstatter wage ich die Behauptung, dass in umstrittenen Fragen zwei Richter gleicher parteipolitischer Couleur häufiger gegeneinander stimmen als miteinander. So war es auch heute wieder, als das Bundesgericht über die Aufenthaltsbewilligung für einen kriminellen Ausländer zu befinden hatte. Ein Richter der rechts der Mitte anzusiedelnden SVP stellte den Antrag, die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Der Gegenantrag stammte von seinem Parteikollegen. Und von den beiden Grünen auf der Richterbank folgte einer dem einen von der SVP, und der andere dem anderen. Den Ausschlag zugunsten des kriminellen Ausländers musste schliesslich der Präsident geben.
Dennoch erachte ich es als Skandal, dass die Sitze im höchsten Gericht der Schweiz faktisch von den politischen Parteien vergeben werden. Das sagte ich schon im Kalenderblatt vom 1. Januar 2010. Nicht weil parteipolitisch engagierte Richter keine guten Richter wären. Der Skandal liegt darin, dass bestens ausgewiesene Kandidaten ohne Parteibuch vom Richteramt ausgeschlossen bleiben. Und weil die grosse Gruppe jener Menschen, die keiner Partei angehören wollen, im höchsten Gericht überhaupt nicht vertreten ist.
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