Auch Gerichtsjournalisten erhalten hie und da Informationen zugespielt, die nach Auffassung der Verantwortlichen im Gericht nicht für die Öffentlichkeit bestimmt wären. Je zurückhaltender und abgeschotteter eine Institution sich gibt, desto öfter kommt es zu solchen Indiskretionen. Motiv dafür ist in aller Regel die Befürchtung, ein tatsächlicher oder vermeintlicher interner Missstand könnte unter den Teppich gekehrt werden. Geradezu klassisches Beispiel dafür sind die Vorgänge nach der unrühmlichen Spuckaffäre am Bundesgericht: Während im Palais auf Mon Repos die Gerichtsleitung mit meinen Berufskollegen darüber verhandelte, ob die unappetitliche Geschichte unter Ausschluss der Öffentlichkeit bereinigt werden könnte, wurden zwei Zeitungsredaktionen durch anonyme Anrufe aus dem Bundesgericht informiert. Damit war den Beteiligten der Teppich unter den Füssen weggezogen, bevor sie etwas darunter kehren konnten.
Auch ich werde regelmässig mit Indiskretionen bedient und versuche, möglichst korrekt damit umzugehen. In allererster Linie gilt es, den Informanten zu schützen - bisweilen auch vor sich selbst. Nicht erforderlich ist das, wo der Informant sich selber schützt und anonym bleibt. Dabei wird offensichtlich der Diskretion moderner Kommunikationstechnik wenig vertraut. Brisante anonyme Informationen erhalte ich noch immer auf Papier und mit herkömmlicher Post. Heikel daran ist, dass nicht nur der Informant unerkannt bleibt, sondern auch seine Motive. Das gilt es im Auge zu behalten, wenn die zugespielte Information ganz bestimmten Personen schadet. Ansonsten lassen sich auch anonyme Informationen als Grundlage seriöser Recherchen durchaus verwenden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen