2. Mai 2010

Iudex non lobbyficat



Während meines Studiums in den Siebziger Jahren arbeitete ich ein paar Nächte in der Woche bei einer katholischen Regionalzeitung in Luzern als Abschlussredaktor. War an einem solchen Abend ein Spiel des örtlichen Fussballclubs angesagt, kündigte der Sportredaktor an, er werde vor Mitternacht noch einmal vorbeikommen. Er fürchtete zu Recht, dass ich Sportmuffel den gröbsten Blödsinn als Titel über den Matchbericht setzen und damit den Zorn des mächtigen Fussballpräsidenten heraufbeschwören könnte. Umgekehrt wusste der Kirchenredaktor genau so sicher, dass er selbst im Falle einer plötzlichen Sedisvakanz im Vatikan keinen Rüffel des Bischofs riskierte, wenn ich als einstiger Theologiestudent Nachtwache hielt.


War dagegen ein wichtiges Gerichtsurteil zu erwarten, machte keiner in der Redaktion sich Sorgen, was darüber am anderen Tag im Blatt stehen könnte. Denn anders als Sport und Kirche, aber auch Wirtschaft und Politik, hatte und hat die Justiz keine wirksame Lobby im Bereich der Medien. Kein Bischof und kein Präsident steht auf der Matte, wenn Berichterstattung über rechtliche Themen falsch oder gar nicht stattfindet. Ein Richter schreibe keine Leserbriefe, meint einer einmal kategorisch. In der Tat steht dem Richter eine gewisse Zurückhaltung wohl an. Wer sich indes nur vornehm zurücklehnt, kann auf den Hintern fallen. Genau dieses Szenario droht der Justiz in der Schweiz, wenn sie es nicht endlich schafft, sich bei Verlegern und Chefredaktoren die Wahrnehmung zu verschaffen, die der dritten Gewalt im Staat zusteht.
fel.

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