5. Oktober 2010

Manipulierte Richterbank

Auf ihre Unabhängigkeit pochen die Richter selbst zu Recht immer wieder. Über die korrekte Besetzung der Richterbank wird dagegen am Bundesgericht nur ungern gesprochen. Dabei ist oft matchentscheidend, welche Richter einen Fall beurteilen. Die meisten Entscheide werden zu dritt und formal einstimmig gefällt. Da ist von ausschlaggebender Bedeutung, wer als Referent die Weichen und den Antrag stellt. In knapp fünf Prozent der Fälle finden die Richter nicht zusammen und dann wird das Urteil zu fünft öffentlich beraten und durch Handmehr gefällt. Hat eine Abteilung nur fünf Richter, besteht kein Raum für Manipulation. Sind sie indes zu sechst und die Meinungen hälftig geteilt, was gar nicht selten ist, hängt der Ausgang des Verfahrens davon ab, welcher der sechs nicht auf der Richterbank sitzt. Und darüber entscheidet, der Abteilungspräsident. Er kann das Los werfen oder nach einem festen Schlüssel vorgehen oder der aus seiner Sicht «richtigen» Lösung zum Durchbruch verhelfen. Über die Schulter blicken kann ihm dabei keiner.

Darum weiss auch keiner genau, ob und wie viel tatsächlich manipuliert wird. Das ist indes auch gar nicht so wichtig. Das grosse Problem besteht darin, dass Manipulationen möglich sind und zumindest die unterliegende Streitpartei befürchten muss, es sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Und das ist sehr schlecht für das Vertauen in die Justiz. Bis vor wenigen Jahren blendeten die den Ton angebenden Richter das beharrlich aus, indem sie sich und anderen Sand in die Augen streuten. Doch jetzt scheinen Druck aus dem Parlament und Kritik in der Presse die Front aufzuweichen. Nun wird auch in Lausanne über eine elektronische Zuteilung der Dossiers nachgedacht, wie sie das Bundesverwaltungsgericht und etliche kantonale Instanzen längst kennen. Das ist vielleicht auch nicht der Weisheit letzter Schluss, doch wird immerhin ausgeschlossen, dass manipulativ in die Besetzung der Richterbank eingegriffen wird. Solange jedenfalls, als das System nicht ausgehebelt wird.

PS: Auch die elektronische Fallzuteilung hat allerdings eine grosse Schwäche, die in einem der nächsten Kalenderblätter verraten werden soll...

1 Kommentar:

  1. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen "entscheidend" und "matchentscheidend" ?

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