5. Februar 2010

Geheimnis in Bedrängnis

 
Vor sehr vielen Jahren sprach sich einmal ein Plenum (Versammlung sämtlicher Mitglieder) des Bundesgerichts nur gerade mit dem Stichentscheid des Präsidenten gegen eine im Parlament vorgeschlagene Erhöhung der Zahl der Richter aus. Weil man fürchtete, das knappe Resultat könnte die Politik irritieren, wurde beantragt, über das Stimmenverhältnis strengstes Stillschweigen zu bewahren. Worauf ein alter weiser Richter anregte, sich zuerst einmal zu überlegen, ob man denn in diesem Haus überhaupt etwas geheim halten könne. Zu Recht wohl, denn schon kurz nach Schluss des Plenums wusste auch ich als Journalist vom knappen Resultat genauso wie von der Geheimhaltungsdebatte. Und heute finden solche News dank SMS sogar schon vor dem Schluss der Sitzung den Weg aus dem Saal.

An diese Episode denke ich oft, wenn ich die Bemühungen zur Rettung des Schweizer Bankgeheimnisses beobachte. Vielleicht bräuchte es auch hier einen alten weisen Mann, der die Frage in den Raum stellt, ob denn das Bankgeheimnis sich im Zeitalter des elektronischen Massengeschäfts rein faktisch noch aufrecht halten lässt. Ob sich mit Strafdrohung sicherstellen lässt, dass Mensch und Elektronik wirklich dicht halten. Ob die Schweiz sich nicht zuerst überlegen müsste, ob das Bankgeheimnis überhaupt aufrecht erhalten werden kann, und danach erst darüber streiten, ob das geschehen darf, soll oder muss.
Denn sollte die Kirche dereinst die Beichte per Internet abnehmen, wird auch das Beichtgeheimnis nicht mehr sein, was es einmal war. Und solange Hacker in das Informatiksystem des Pentagons eindringen, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis irgendein Gutmensch in grossem Stil Bankdaten aufs Web stellt und per Twitter allen Schäubles dieser Welt zur freien Verfügung stellt.
fel.

PS: Allerdings auch wenn das Bankgeheimnis der Schweiz an der normativen Kraft des Faktischen zerbrechen sollte, bleibt Deutschlands grosses Problem mit seiner immensen Schattenwirtschaft bestehen, und das darin weiterhin verdiente schwarze Geld wird nicht weiss, sondern nur anders versteckt.

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