20. April 2010

Die Wagenburg



Das Bundesgericht ist in Lausanne, das weiss jedes Kind. Nicht alle Kinder aber wissen, dass das höchste Schweizer Gericht auch einen Standort in Luzern hat, wo die beiden Sozialrechtlichen Abteilungen ihrer Ämter walten. Die etwas eigentümliche Konstellation ist die Folge einer per 1. Januar 2007 erfolgten Fusion zwischen dem ursprünglichen Bundesgericht und dem früheren Eidgenössischen Versicherungsgericht.

Eine Fusion, die in Lausanne einhellig abgelehnt wurde, weil nie eine echte Zusammenführung der beiden Gerichte vorgesehen war. Eine Fusion, die von Luzern aus aber emsig betrieben und schliesslich auch durchgesetzt werden konnte, weil politisches Lobbying noch nie die Stärke derer in Lausanne war. Eine Fusion schliesslich, die nicht nur wegen der räumlichen Trennung, sondern vor allem auch in den Köpfen nie richtig stattgefunden hat.

Die unterschiedlichen Mentalitäten nimmt auch wahr, wer als Journalist aus den beiden Gerichten berichtet, die heute nur noch eines sein sollten. Das fing schon im Jahre 1981 an, als ich mich als Berichterstatter akkreditieren lassen wollte. Was in Lausanne problemlose Routine war, scheiterte in Luzern zunächst an schroffem Njet. Soweit das Gericht eine Information der Öffentlichkeit überhaupt für tunlich hielt, verfasste damals ein Gerichtsschreiber eine Meldung, die dann von der Schweizerischen Depeschenagentur geflissentlich landesweit verbreitet wurde. Sehr lange vermochte das Gericht allerdings halbwegs verfassungskonforme Zustände nicht mehr aufzuhalten. Doch auch heute noch betritt der Journalist eine Wagenburg, wenn er denn überhaupt eingelassen wird für die Berichterstattung. Er wird gefilzt und durchleuchtet wie am Flughafen und darf sich danach argwöhnisch überwacht nur auf geradem Weg in den Gerichtssaal und wieder zurück bewegen. Schwer zu ertragen für eine Journaille, die am Hauptsitz in Lausanne dank eigenem Badge formlos Zutritt hat und sich im Palais zwischen Arbeitsplatz, Gerichtssälen und Cafeteria frei bewegen kann. Indes sind auch in Luzern Anzeichen der Aufweichung auszumachen: Seit geraumer Zeit wird wenigstens nicht mehr demonstrativ sichtbar in eine Liste eingetragen, welcher Journalist wann eine Beratung oder Verhandlung verfolgt hat.

fel.

PS: Zur Ehrenrettung Luzerns sei angemerkt, dass die dort lebenden Menschen alles andere als verschlossen sind und denn auch keiner der zehn Richter in der Wagenburg Luzerner ist.

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